Eine Frage, die mir sehr häufig im Zusammenhang mit meiner Kunst von anderen Menschen gestellt wird, ist die: woher nimmst du eigentlich all deine Ideen?
In diesem Artikel erzähle ich dir ein bisschen darüber, wie ich überhaupt zu meiner Art von Bildern gekommen bin, was und wer mich inspiriert (hat) und anhand von ein paar Beispielen, woher die Grundideen für meine Bilder stammen.
Mein Weg zur Kunstfotografie
Am Anfang war die Krise.
So lässt es sich im Grunde ganz simpel ausdrücken. Tatsächlich stand ich 2014 vor einem inneren Scherbenhaufen, unglücklich, orientierungslos und gefangen in einer ungesunden Mischung aus Überforderung, negativen Glaubenssätzen und einem großen Abstand zu mir selbst.
Da ich es satt hatte, in meinem Kopf ununterbrochen sinnlose Gedanken zu wälzen, begann ich mit meinem Handy alles zu fotografieren, was mir vor die Linse kam. Ich war schon immer ein großer Fan von Bildern und da ich, selbst aus der pädagogischen Psychologie kommend, irgendwie ja wusste, dass es Sinn machen kann, seine Achtsamkeit für den Moment zu schulen, drehte also den Spieß um und zwang mich selbst, meine Aufmerksamkeit nach außen zu richten.
Diesen Schritt kann ich nur empfehlen. Raus gehen, so viel wie möglich wahrnehmen und den Auslöser drücken.
Da mir eine Kamera fehlte, musste das damals wirklich nicht toll knipsende Handy her.
Nach drei Monaten ungefähr habe ich mir dann meine erste (nach meiner Knipse in Jugendjahren) Kamera gekauft. Es war mir schnell klar, dass da eine Neugier geweckt worden war, die größer war als vieles, womit ich mich bis dahin beschäftigt hatte.
Das ist, wie einen (in diesem Falle) gutmütigen (aber riesigen) Drachen zu wecken.
Hat er einmal das Auge geöffnet, wird er aufwachen und er ist verflixt groß.
Und ich eröffnete meinen kleinen, aber feinen Foto-Blog, den ich heute gar nicht mehr bediene, den es aber noch gibt, weil ich mich nicht von ihm trennen kann. Hier habe ich mich unendlich viel ausgetauscht, Menschen kennen gelernt, Bloggertreffen erlebt, alles mögliche über die Fotografie gelernt und mich ausprobiert.
Das waren meine ersten Schritte ins Laufenlernen.
Portraitfotografie
Es dauerte eine kleine Weile und viel Austausch mit anderen motivierten Blogger*Innen, bis ich anfing, mich für die Portraitfotografie zu interessieren. Kleinere Projekte hatte ich schon mit meiner ältesten Tochter umgesetzt, bis ich im Herbst 2017 meine ersten bewussten Shootings mit freiwilligen mutigen Menschen ansetzte.
Mir wurde schnell klar, dass ich gerne Menschen zuhöre und Menschen gerne beobachte, dass ich zu viel Retusche irgendwie seltsam fand und im Grunde vor allem Interesse daran hatte, 'authentische' Bilder zu entwickeln. 'Authentisch' ist ein inflationär genutzter Begriff, aber was ich daran schön finde, ist der Versuch, den Menschen zu erwischen, der mir gegenüber sitzt oder steht.
Dafür braucht es kein Dauerlächeln oder nicht unbedingt eine besondere Pose, es kann eine emotionale Stimmung sein oder auch nur die Lust am Moment, die ich gerne einfange. Ich höre gerne zu und versuche zu erkennen, was mein Gegenüber mir über sich erzählen möchte und einzufangen oder zu entwickeln, welche Geschichte da entsteht.
So war/bin ich offen für alle möglichen lustigen, emotionalen, dunklen, hellen oder schrägen Ideen.
Eine Auswahl meiner Portraits findest du hier.
Und ich lernte schnell, wie vielen Menschen es sehr schwer fällt, sich selbst zu sehen und zu akzeptieren.
Ich merkte, wieviel Spaß es mir macht, mit Schärfe und Unschärfe zu spielen, mit Licht und Schatten, mit dem Einsatz verschiedener Materialen wie Glas, Tuch oder Folie, Kaleidoskop oder kaputten Linsen.
Das Licht ist ein besonderes Element in der Fotografie und schlau genutzt, lassen sich ganz leicht wunderschöne Bilder entwickeln.
Mein Ehrgeiz orientiert sich dabei unter anderem an den wunderschönen Gemälden der alten niederländischen Meister, die ein besonderes Gespür für Licht und Schatten hatten.
Es gab unendlich viel zu lernen. Ich glaube, ich hatte selten in meinem Leben einen solchen Wissensdrang und eignete mir Stück für Stück das an, was ich gerade brauchte. Technische Dinge, Positionierungen, Materialien, Möglichkeiten .... alles was ging, wurde ausprobiert.
Da mein Budget auch damals schon begrenzt war, nutzte mir meine Fähigkeit zu improvisieren (warscheinlich ein Relikt aus meiner ersten Ausbildung zur Ergotherapeutin: Improvisation ist (fast) alles.), um meinen Erfahrungsschatz zu erweitern.
Fotografische Selbstportraits
Mit der Zeit landete ich beim fotografischen Selbstportrait.
Wie es dazu kam, kannst du in diesem Blogartikel lesen.
Es war eine etwas längere Reise, aber irgendwann war meine Neugier geweckt und ich merkte, dass diese Art der Fotografie zu meiner experimentellen Heransgehensweise sehr gut passte. Ich merkte, wie ich versuchte, meine Stimmungen mit kreativen Mitteln auszudrücken. Wenn du ein paar meiner damaligen Selbstportraits sehen möchtest, findest du sie hier.
Schon länger spielte ich mit dem Gedanken, mich mit ®Photoshop zu beschäftigen. Aber jeder Versuch, es zu starten, artete in Schwierigkeiten aus. Ich blieb meist schon auf der ersten Ebene hängen, verstand die ganzen Zeichen und Werkzeuge nicht und da ich nicht wusste, was ich suchte, erschien mir die Unmenge an Tutorials wie die Überquerung des Himalayas-Gebirges. Für mich unmöglich.
Dann jedoch entdeckte ich auf Instagram plötzlich eine amerikanische Foto-Künstlerin, deren Bilder mich sofort packten.
Inspirierende Künstler*Innen für mich
Brooke Shaden gelingt es, ihre Emotionen, ihre Trauer, ihre Freude, ihre Ohmachte, Wut, Sehnsucht, ihre Neugier auf das Leben und den Tod in immer neue Art und Weise in ihre Bilder zu transportieren. Sie transformiert ihr inneres Erleben in visuelle (Traum-)Bilder, die berühren und in der Tiefe bewegen.
Die radikale Akzeptanz des eigenen inneren Erlebens, die Reflektion und das Wahrnehmen aller Zustände, die sich ihr bieten, eröffnet einen unglaublichen kreativen Pool.
Bei ihr habe ich gesehen, was möglich ist, wenn wir uns und unser inneres und äußeres Sein selber zulassen.
Und ich wusste, über ihre Arbeit muss ich mehr wissen.
In verschiedenen Online-Workshops und Tutorials, die ich mir damals ansah, habe ich unendlich viel gelernt und endlich einen Einstieg in ®Photoshop gefunden. Schritt für Schritt ackerte ich mich durch ihre Tutorials, bis ich meine eigenen Ideen fand und weiter entwickelte.
Ein weiterer Künstler, dessen Arbeiten ich grandios finde und der mir durch meine Auseinandersetzung mit seinen Werken geholfen hat, meine Ideen umzusetzen, ist Richard Tuschman.
Er arbeitet mit Photomontagen und nutzt kleine Dioramen für seine wunderschön ausgeleuchteten Fotografien.
Ich bin ein großer Fan von Edward Hopper, einem Maler, dessen Licht- und Szenenstimmung auch in Tuschmans Bildern zu finden ist. Ich glaube, diese Bilder haben meine eigenen Ideen sehr stark beeinflusst.
Weitere Künstler, von denen ich mir Anregungen geholt habe, sind u.a. Künstler*Innen wie Erik Johansson, Laura Makabresku, Cathrin Welzstein, Maggie Taylor, Danny Bittencourt ...
Meine Liebe zu Geschichten
Bei der Betrachtung und Auseinandersetzung mit vielen vielen Bildern entdeckte ich meine Liebe zu Geschichten wieder.
Ich lese seit jeher sehr gerne Bücher und versinke am liebsten total in einer Erzählung. Seit meiner Kindheit mag ich Märchen, vielleicht weil mein Vater mir viele stundenlang und immer wieder vorlas. Es gibt in meinem Bücherschatz das Grimms Märchenbuch meiner Kindheit mit sehr besonderen Illustrationen, was wohl meine Liebe zu surrealen und fantastischen Bildern geprägt hat.
Ich lernte nun, wie sich mit Bildern Geschichten erzählen und Stimmungen wecken lassen und dass Bilder nicht einfach nur Abbilder sind, sondern Geschichten erzählen. Sie können das Unterbewusstsein ansprechen und Gedanken, Gefühle und Bilder in uns auslösen. Sie müssen nicht logisch sein und im Grunde ist alles erlaubt.
Ein weiteres Element, für das ich mich begeistern kann, sind Träume.
In Träumen ist alles möglich und sämtliche Regeln der Realität sind ausser Kraft gesetzt.
Unser Unterbewusstsein arbeitet ausserhalb unserer Kontrolle und entwickelt für nur uns sehr spezielle Filme im Großformat. Ich muss zugeben, dass ich bis auf einmal in meiner Kindheit niemals einen Alptraum hatte, sondern meistens fasziniert war, selbst wenn der Inhalt anstrengend, verstörend oder mühsam war. In dem Moment, in dem ich aufwache, empfinde ich meist Neugier. Es ist, als würde mir mein persönliches Kino immer wieder Previews schenken. Großartig!
Meine fotografischen Arbeiten stellen häufig traumartige Sequenzen dar, deren surreale Elemente das Traum-hafte noch verstärken. Es sind Momentaufnahmen einer Stimmung, eines Gefühls, zusammen gesetzt aus dem, was ich empfinde, kenne, assoziiere.
Grundideen in meinen Bildern: zwei Beispiele
Vielleicht ist es einfacher, sich vorzustellen, welche grundlegenden Wahrnehmungen meinen Bildern zugrunde liegen, wenn ich dir ein paar Beispiele zeige. Ich habe hier zwei verschiedene Regungen in mir wahrgenommen, auf deren Basis diese beiden Bilder entstanden sind. Ich will dir hier nur die allerersten Gedanken zu meinen Selbstwahrnehmungen wiedergeben, die ich genutzt habe, um sie kreativ in visuelle Bilder zu transformieren.
Hier war es zum Beispiel so, dass ich bemerkt habe, dass ich mich eine Weile innerlich zurück gezogen habe. Ich brauchte viel Zeit für mich und alles, was von außen kam, habe ich versucht, abzuschmettern. Ich spürte mein inneres Bedürfnis nach Schutzraum und meinen Wunsch nach jemandem, der aufpasst und Wache hält, damit ich mich innerlich regenerieren kann. Und das konnte nur ich selber sein.
In diesem Bild siehst du den Tiger als Symbol für Wildheit, Wut und kraftvolle Energie, für Impulsivität und Unbewusstes.
Diese Energie hat viel Macht, sie kann zerstören, aber auch nach vorne bringen. Es für mich Sinn, sie zu zähmen, um sie zu nutzen, wenn sie gebraucht wird, aber auch in Schach halten zu können, wenn sie kämpferisch angreifen will.
Wertfreie Wahrnehmung und Zeit mit mir selbst
Um meine Bilder zu entwickeln, benötige ich also vor allem eins: Zeit für mich selbst.
Ohne das komme ich nicht mit mir selbst in Kontakt und entsprechend bleiben Ideen aus. Und es reichen oft kurze Moment, in denen ich aber wirklich bei mir bin.
Ein weiteres Tool ist eine wertfreie Wahrnehmung meiner selbst.
Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit einer Methode zur Auflösung von inneren (Bewusstseins-)Konflikten, der Introvision, die mich geschult hat, mich und meine Umwelt wertfreier wahrzunehmen.
Das gelingt natürlich nicht immer und bedarf eines ausgiebigen Trainings, aber es führt auf Dauer zu einer in gewisser Weise gelasseneren inneren Haltung.
Und die hilft, das, was in mir und uns vorgeht, beobachten, wahrnehmen und akzeptieren zu können.
Das geht von Emotionen, Stimmungen, Ängsten, Sollvorstellungen hin zu Blockaden. Jeder noch so 'dumm' oder 'kleinlich' erscheinende Gedanke lenkt meine Aufmerksamkeit hin zu meinen Gefühlen.
Je wertfreier ich meine eigenen Zustände wahrnehmen kann, desto leichter kann ich meine Ängste und Blockaden lösen, meine Glaubenssätze loslassen und meine inneren Bilder wahrnehmen.
Visuelle Koppelung und Intuition
Wenn ich meine innere Stimmung, Haltung oder meinen aktuellen inneren Zustand wahrnehmen und betrachten kann, ohne ihn mental zu verurteilen, weg zu schieben oder nicht haben zu wollen, dann öffnet sich mit eine ganze Bandbreite an kreativen Momenten.
Jeder Gedanke ist bei mir neben verschiedenen anderen vor allem mit visuellen Informationen gekoppelt.
Ich assoziere nicht nur Gedankenketten, fühle, rieche oder höre dabei Dinge, sondern sehe jedes Mal innere Bilder.
Ich setze quasi meine Gedanken in assoziative Bilder um.
Und genau an dem Ort werden meine Bilder geboren.
Ich bemerke, dass mich latent etwas bewegt, beschäftigt, ärgert oder verunsichert. Ich setze mich hin, versuche, zu beobachten, was da passiert und wahrzunehmen, wie sich das anfühlt. Dazu braucht es nicht unbedingt eine kognitive Einordnung, Erklärung oder Abhandlung. Ich nehme wahr, ich fühle und ich sehe. Und dann entstehen Ideen und sie dürfen so krumm, so irreal, so unmöglich, so schräg, so bunt sein wie sie wollen. Ich nehme sie wahr und dann erst arbeite ich später mit ihnen weiter.
Gerade WENN ich versuche, die Dinge schon im ersten Moment kognitiv zu benennen, überlagere ich sie oft schon wieder. Mein denkender Kopf steht mir hier im Grunde im Weg.
Also muss ich versuchen, auf der Ebene der Wahrnehmung zu bleiben und zu spüren.
Manchmal kann ich die Idee kaum fassen, dann muss sie noch reifen.
Ich lasse sie liegen. Wenn sie wächst, wird sie wieder kommen.
Und auch das darf sein.
Kreativität braucht Zeit.
Sie arbeitet im Stillen, vielleicht auch im Lauten, aber vor allem, wenn man sie (zu)lässt.
Es ist, was da ist - Selbstakzeptanz
Mein Schlüssel ist die (radikale) Selbstakzeptanz und Selbstreflektion.
Und nein, ich bin nicht perfekt darin. Überhaupt nicht.
Aber zu akzeptieren, was ist, ist ein Ziel und ein Weg, der mich in kreative Bereiche bringt, in denen ich früher nicht war. Es macht mir Mut und ich merke, für mich funktioniert es. Der aktuelle Moment oder die Rückbesinnung auf Vergangenes, dem ich mich ähnlich nähern kann, sind mein kreativer Pool, aus dem ich schöpfen kann.
Immer wieder.
Meine Emotionen, Gefühle, wie Trauer, Wut, Unverständnis, Einsamkeit, Enge, Gelassenheit, Freiheit, Stärke, Mut, Enttäuschung ... alles Themen, die sich transformieren lassen und mir Bilder und Ideen schenken.
Dabei läuft vieles sehr intuitiv ab. Ich steuere das nicht, ich lasse mich in einen bewussten und auch teilweise unbewussten Prozess fallen.
Und wenn ich mich öffne und anfange, dann entwickelt sich etwas. Meine Kreativität kommt in Bewegung.
Die Zeit es zu tun ist: JETZT!
Dich interessiert diese Herangehensweise, du hast Lust, deine Kreativität zu wecken oder du strugglest gerade an inneren Blockaden und kommst nicht ins Tun?
In diesem Blogartikel kannst du mehr darüber lesen, warum Selbstportraits bei der Selbstwahrnehmung ein super Tool sein können. Und hier kommst du zu meinem kleinen kostenlosen Einstiegstraining hin zu mehr wertfreier Selbstwahrnehmung.
Der point of fact ist doch der: der beste Zeitpunkt anzufangen ist jetzt. Tu es einfach. Fang an.
Fang an, dir Raum zu schenken und sei er noch so klein.
Fang an, dich wahrzunehmen.
Fang an, mit zu bekommen, was in dir passiert.
Fang an, deine Blockaden, deine Ängste, deine Widerstände wahrzunehmen.
(Sie sind eh da, ob du hinguckst oder nicht.)
Fang an, deine inneren Bilder wieder zu sehen.
Fang an, zu spüren, wohin es dich zieht.
Du musst gar nichts damit tun. Nimm es einfach (erstmal) wahr.
Das macht unendlich viel.
Für dich.
Noch ein kleiner Tipp
Schreib alles auf, was du wahrnimmst.
Oder setz dich hin und kritzel, was dir dazu spontan in den Sinn kommt.
Male drauf los.
Fotografiere alles, was dir auffällt oder wozu du Lust hast oder was dich reizt.
Kitzle deine Intuition wach.
Das ist wie die berühmten 'Morgenseiten'* zu schreiben.
Spontan, ohne nachzudenken: machen.
Immer wieder.
Nimm wahr, was mit dir geschieht.
Und: Es darf dauern.
* Cameron, Julia (1992): Der Weg des Künstlers. Knaur Verlag