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Die Intuition im Prozess der Bildentwicklung

In diesem Blogbeitrag möchte ich dir am Beispiel meines Bildes 'Farewell' davon erzählen, wie ich vorgehe, wenn ich ein Bild entwickle, in welchen Phasen das abläuft und wie/wo ich meine Intuition nutze, um das innere Bild in ein fass- und sichtbares umzusetzen.

Die Phasen meiner Bildentwicklung

Die Entwicklung meiner Bilder durchläuft eigentlich immer verschiedenen Phasen, wobei sich diese Phasen überschneiden, vermischen und abwechseln können. Manchmal gehe ich auch in eine vorherige Phase zurück oder überspringe eine.

  1. Wahrnehmung und Intuition: Bewusstwerdung des Themas und der damit verbundenen Gefühle
  2. Erste Zeichnungen
  3. Der Bau einer Hintergrund-Szenerie
  4. Shooting der Details und meiner selbst
  5. Zusammenfügen und Editing in Photoshop
  6. Im Fall von 'Farewell' das Zeichnen der digitalen Elemente: Baum und Blätter
  7. Zusammensetzen und Perfektionierung von Farbe, Licht, Textur

1. Stufe: Wahrnehmung des Themas

Zu Beginn einer neuen Bild-Idee muss ich zunächst einmal ein Thema finden oder etwas erkennen, was mich gerade beschäftigt.

Ganz selten hat sich auch ein konkretes Bild in meinem Kopf entwickelt, dann gilt es heraus zu finden, was mir dieses innere Bild erzählen will. Natürlich werde ich auch manchmal bewusst inspiriert von einem Bild, was mir irgendwo begegnet, aber häufig ist es eher eine Stimmung oder ein Gefühl von dem ich merke, dass es nicht beschäftigt.

 

Immer, wenn ich feststelle, dass sich meine Gedanken eine Weile im Kreis drehen oder ich in einem Gefühl (scheinbar) festhänge, versuche ich, aufmerksam darauf zu werden und genau wahrzunehmen, was dabei in mir vor sich geht.

Manchmal ist es ein Gefühl, manchmal eine Idee oder auch ein Problem, bei dem ich nicht weiter komme.

Häufig liegt dahinter etwas anderes verborgen.

Das versuche ich, zu fassen zu bekommen.

 

Dafür nutze ich ich eine aufmerksame wertfreie Wahrnehmung, damit ich jeden Winkel meines Inneren erforschen kann und mir so wenig Türen wie möglich verschlossen bleiben, weil ich vor mir selbst etwas verstecken möchte. Alles darf da sein.

 

Falls dich interessiert, wie du erste Schritte hin in Richtung mehr wertfreie Wahrnehmung gehen kannst, dann schau doch mal hier bei meinem kleinen Crash-Kurs vorbei.

Die Intuition

Die Tür ins eigene Innere öffnet mir zunächst der Gedanke oder, wenn ich es schon gegriffen habe, auch das Gefühl, was ich erlebe.

Habe ich das Gefühl aber noch nicht recht definiert, hilft der Gedanke, oft der spontanste, der auftaucht, wenn ich versuche, das Gefühl wahrzunehmen.

An diesen Gedanken ist mit ziemlicher Sicherheit dann ein/das Gefühl gekoppelt.

Diesem folge ich und nehme es wahr.

 

Während ich dies tue, tauchen meist die ersten Assoziationen oder inneren Bilder auf. Ich versuche, sie wahrzunehmen und eine Weile zu betrachten. Wenn sie für mich Sinn ergeben, zeichne ich sie häufig skizzenhaft auf, um sie aus der Tiefe heraus zu holen.

Die Bilder sind meist begleitet von Worten oder Themen. Manchmal ist es auch umgekehrt, ich habe ein Thema gefunden, was sich mir scheinbar aufdrängt und suche das Gefühl dazu.

 

Der Blick ins Innere erinnert mich manchmal an eine große Suchmaschine: ich gebe etwas ein und bekomme dann aus meiner Tiefe Vorschläge, denen ich dann folgen kann oder nicht. So taste ich mich eine Weile vor und irgendwann erscheint etwas, was sich 'richtig' anfühlt oder eine Art Dringlichkeit besitzt, so dass ich weiß:

das ist es!

 

Für den Moment. Denn im Prozess kann sich noch alles ändern.

Die Tür zum kreativen Pool ist sensibel

Kreativität und Intuition bei der Bildentwicklung

Je (wert-)freier und offener ich mir selbst begegnen kann, desto freier wird auch der Weg zu meinem kreativen Pool. Jede Bewertung, Verneinung, Selbstzensierung schränkt den Zugang wieder ein bis hin zur Blockade.

Jeder kognitive Gedanke kann hier schon stören.

 

Bleibt der Zugang aber offen, dann kann ich Schritt für Schritt schauen, was sich mir aufdrängt und in mein Bild will.

 

Mein neustes Bild 'Farewell' ist in genau solch einem Prozess entstanden.

 

Ich habe mich vor einem halben Jahr sehr mit dem Thema 'Abschied' beschäftigt, da wir in der Familie jemanden aus dem Leben verabschieden mussten und jeder auf seine Weise damit konfrontiert war, einen Umgang damit zu finden. Ich habe gemerkt, das Thema schwamm in mir herum. Genau so kam es mir vor: es schwamm.

Mal nach links mal nach rechts, mal im Kreis, es arbeitete.

 

Ich habe das beobachtet und wirken lassen, bis ich merkte, ich möchte / muss dazu ein Bild entwickeln.

 

Wenn ich in solch einer Phase anfange, darüber nachzudenken, wie sich das Thema wohl am besten umsetzen lässt, wird es meist verkopft und manchmal geht auch die ein oder andere Türe erstmal wieder zu. Also lasse ich meine Kreativität in Ruhe arbeiten, das tut sie nämlich phasenweise sehr gut selbst, wenn sie ein paar Impulse bekommen hat.

Stufe 2: Anfertigung erster Skizzen

Wenn ich nun zum Beispiel an dem Punkt einer Idee angekommen bin, an dem ich sogar eine grobe Skizze anfertigen kann, entdecke ich in meiner Vorstellung meist schon eine Art Raum oder Hintergrund, in dem ich die Szene meines Bildes sehe.

Hier kann ich nun also wieder anfangen, meine Gedanken einzuschalten und zu überlegen, wie sich das umsetzen lässt.

 

- Neulich ist mir aufgefallen, dass auch dieser Teil durch Gedanken eingeschränkt wird, ich habe nämlich festgestellt, dass sich die Räume, die ich bisher gebaut habe, alle im Bereich der 'Normalität' befinden, insoweit, dass sie bestimmten normativen Regeln folgen. Sie haben Wände, Fenster, Ecken und Türen, sie sehen in der Regel aus, wie Räume, die wir kennen. Mir kam der Gedanke, dass sich auch mit diesen Räumen noch viel mehr spielen ließe. Wenn ich Räume aus meiner Fantasie- oder Traumwelt entstehen lasse, dann können sie dreieckig, schief, perpektivisch unlogisch sein, sie können Brücken, Treppen und Foren enthalten, auf dem Kopf stehen, es ist alles möglich.

Auch hier scheint meine Vorstellungskraft noch vertrauten Regeln zu folgen. Das fand ich recht interessant. -

 

Dennoch, zurück zum Punkt:

im Falle von 'Farewell' wusste ich recht früh, dass ich einen Flur bauen wollte, an dessen Ende eine Tür zu sehen ist. Allerdings waren alle meine Zeichungen, für die ich nach Fluren recherchiert habe und der Lichteinfall, der mich interessierte, nach meinem Gefühl irgendwie noch nicht 'richtig'.

Ich habe es also wieder 'liegen' gelassen und die Idee arbeiten lassen.

 

 

Ich habe schonmal Karton und Farbe besorgt, als ich merkte, die Wände sollen dunkel werden, entweder dunkelgrün oder dunkelrot. Irgendwann wusste ich, welche Farbe es sein sollte.

Ich merke es meist, wenn der Punkt kommt, an dem eine Vorstellung plötzlich 'sicher' ist. Ich sehe es dann vor mir und weiß, 'Das ist es!'.

 

Die Intuition arbeitet immer mit

Ich nutze in jeder Phase des Prozesses meine Intuition. Mal mehr, mal weniger.

 

Ich beobachte mich und meine Idee, spüre in mich hinein, lasse innere Bilder im Zusammenhang mit dem Thema auftauchen und greife jede Idee, die aus der Tiefe kommt auf.

 

Und immer, wenn ich merke, ich komme nicht weiter oder verhake mich oder eine Idee lässt sich nicht umsetzen, gehe ich einen Schritt zurück, schaue, was den kreativen Fluss blockiert und warte erneut, was auftaucht.

 

Manchmal dauert das eine Weile.

Und manchmal geht es ganz schnell, in dem Moment, wo ich merke, was ich blockiert oder wo ich zu sehr 'will'.

Stufe 3: Arbeit am Bau

Die Bauphase ist immer begleitet von dem Gefühl, dass 'es jetzt losgeht'.

Das fühlt sich meistens gut an und ich komme in eine Art Flow-Gefühl. Es macht mir Spaß, meine Räume und HIntergründe zu bauen und mir langsam vorzustellen, wie es in dem Raum aussehen könnte. Dadurch entstehen häufig noch zusätzliche Ideen und das Bild wird langsam klarer vor meinen Augen.

 

Ich arbeite meist mit Karton und Farbe, manchmal mit Puppenmöbeln oder kleinen Fenstern und Türen, diesmal habe ich jedoch alles mit Acrylfarbe gemalt.

Ich beschäftige mich parallel weiter mit den Gedanken und Gefühlen zum Thema und dann und wann ploppt eine weitere Idee aus dem Nichts auf, die ins Bild möchte.

 

In diesem Fall tauchten vor meinem inneren Auge intuitiv Familien-Fotoalben auf.

Ich liebe solche Alben, weil sie Familiengeschichten erzählen und ich es spannend finde, Biografien anhand von Bildern nach zu vollziehen.

Und mir kam es vor, dass der Tod dafür sorgt, dass auf Familienbildern immer mehr Lücken entstehen.

 

So entschied ich mich dafür, alte schwarzweiß-Bilder von Familien als Symbol für den Lebensverlauf ins BIld einzubauen. Für all die, die schon geangen sind und für die, die bleiben und weitergehen, bis sie selbst an dieser Tür in eine andere Welt stehen.

 

4. Shooting Phase

Aufnahmen des Hintergrundes

In dieser Phase, in der der Raum fertig gestaltet ist, geht es darum, ihn in der richtigen Perspektive und mit dem richtigen Hintergrund-Licht zu fotografieren.

Dazu nutze ich verschiedene Dauerlichtlampen oder auch LED Lichter, die man an unterschiedlichen Stellen anbringen kann.

 

Ich muss das richtige Objektiv finden und den richtigen Standort. Ausserdem geht es jetzt darum, mich selbst zu fotografieren. Wenn ich eine Reihe Bilder fotografiert habe, setze ich sie am Rechner zum fertigen Hintergrund-Bild zusammen. Oft besteht dieses Bild schon aus mehreren zusammen gesetzten Bildern.

 

So sah der erste Entwurf für den Flur zusammen gesetzt aus mehreren Aufnahmen dann aus.

 

Als der Raum so fertig vor mir war, habe ich wieder meine Intuition genutzt, um mich selbst in diesem Raum zu sehen. Es tauchten wie aus dem Nichts ein Baum und fallende Blätter auf, die ich mit Vergänglichkeit und Herbst und Sterben verband.

 

Da ich zu der Zeit viel gezeichnet habe, beschloss ich, den Baum ganz für mich und dieses Bild selbst zu zeichnen. So wie ich ihn vor meinem inneren Auge sah.

Aufnahmen von mir selbst

Im nächsten Schritt, wenn ich enstchieden habe, an welcher Stelle ich in dem Flur sein möchte, beginnt eine der schwierigen Phasen, denn nun muss ich mich selbst fotografieren.

 

Dabei ich muss folgende Punkte beachten:

  • die Perspektive
  • den Blickwinkel des Betrachters
  • das einfallende Licht
  • eine Position, Pose und Haltung, die mein Gefühl verdeutlicht

Dieser Schritt ist meist aufwändig und muss manchmal wiederholt werden, denn erst am Rechner kann ich später sehen, ob Winkel und Perspektive stimmen und ich mich so in den Raum arbeiten kann, dass es logisch wirkt.

 

Aber diese Phase ist oft auch eine lustige Phase.

Allein mit mir in meinem Studioraum in den verschiedensten Posen so lange vor der Kamera herum turnen, bis es entdlich mit dem Bild zusammen passt, kann sehr amüsant sein.

5. Zusammenfügen und Bearbeiten in Photoshop

In dieser 5. Phase setze ich alle Bilder am Rechner in ®Photoshop zusammen.

Ich muss alle Details freistellen, ausschneiden und gut anpassen in Größe und Perspektive.

 

Dann bearbeite ich Licht, Farbe, eventuelle Details, füge Dinge hinzu, entwickle meine Collagengeschichte, teste Texturen und Schattierungen.

 

Diese Phase macht mir viel Spaß und sie kann dauern. Sie dauert so lange, bis ich mit allem zufrieden bin.

 

Eventuell erstelle ich in Zukunft auch Videos meiner Bildentwicklung am Rechner, wenn du mir folgst, wirst du dazu ggf. erfahren.

6. Entwicklung zeichnerischer Elemente

Im Falle von 'Farewell' habe ich den oben genannten Baum und die herabfallenden Blätter nun tatsächlich digital gezeichnet. Dafür habe ich das Programm ®ProCreate genutzt.

 

Mir hat das Zeichnen gut gefallen, weil mein Bau dadurch ganz zu meinem eigenen geworden ist.

Ich habe ihn mir von der Wurzel an erarbeitet.

 

Ich mag diese Mischung aus verschiedenen Techniken.

Sie passt zu mir. Ich nutze alles, was funktioniert, um meine inneren Bilder um zu setzen.

7. Endbearbeitung

Am Ende dieses langen Prozesses werden die Zeichnungselemente ins Bild eingebaut, farblich angepasst, bewegt oder in ihrer Schärfe so eingestellt, wie ich es benötige, Licht, Textur und Farbe angepasst und entsprechend der Bildaussage perfektioniert.

 

Voilá: das Bild ist fertig!

Die Intuition im Work Flow

Wie du in meiner Beschreibung erkennen konntest, spielt die Intuition in meiner Art der Bildentwicklung eine große Rolle. Ich gehe immer wieder zurück an mein ursprüngliches Gefühl, überprüfe es, ob es noch stimmig ist.

 

Oft entstehen im Prozess Pausen oder kleinere Blockaden, weil ich mir selbst zu sehr Druck gemacht habe, die Frage JETZT lösen zu wollen oder das Bild JETZT fertig stellen zu müssen.

 

Wenn ich das entdecke, gehe ich immer einen Schritt zurück, nehme Abstand ein, lasse das Bild 'liegen' und warte ab. Meine Erfahrung ist, dass dann immer etwas auftaucht. Früher oder später.

 

Manchmal entsteht auch eine zu große Nähe zum Bild, dann gerate ich in eine Art Tunnelblick.

Es hilft, diesen zu weiten und das geht nur mit innerem Abstand.

 

Intuition fließt nur, wenn der Weg frei ist.

Und langsam spüre ich immer wierder den Unterschied zwischen Kognitivem Wollen und meinem intuitiven Bild.

 

Vielen Dank fürs Lesen und deine Aufmerksamkeit.

 

Was für Erfahrungen hast du mit der Intuition in kreativen Prozessen?

Contact

Andrea Friederichs-du Maire

Photography

Hamburg

welcome@dumairephoto.de

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